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Trekkers in Truckee (Lake Tahoe)

Reisende unter sich − Am Freitag fahren wir nach Truckee in der Nähe des Lake Tahoe. Dank Brooke’s ausführlicher Wegbeschreibung finden wir ihre Wohnung auf Anhieb. Sie liegt etwas ausserhalb des Ortes am Donner Lake. Mit dem hinterlegten Schlüssel öffnen wir die Türe und machen es uns schon mal im Wohnzimmer bequem. Brooke ist eine ehemalige Trek America Führerin und war Lulu’s Guide auf der Canada Tour 2002. In der Zwischenzeit hat sie Trek America verlassen und ist in der Umgebung des Lake Tahoe sesshaft geworden. Sie arbeitet teilzeit für einen lokalen Adventure Trip Veranstalter und leitet Touren in Utah und im Yosemite National Park.

Als Brooke am Abend nach Hause kommt, ist die Wiedersehensfreude gross. Wer hätte schon gedacht, dass sich unsere Wege wieder einmal kreuzen werden? Fürsorglich wie eine Mutter kocht uns Brooke ein leckeres, vegetarisches Thai-Curry. Während dem Essen tauschen wir Reiseerlebnisse aus. Als ehemaliger Trek Guide kennt sie das Gefühl ständig unterwegs zu sein und nur soviel zu besitzen wie im Auto Platz hat. Nanuq findet sie extrem cool, hat sie doch selbst einmal einen Rover besessen.

 

Organic − Am nächsten Morgen erkunden wir Truckee’s historische Innenstadt. Im Jahr 1863 entstanden, diente Truckee mit seinen Saloons, Spielhallen und Bordellen als Treffpunkt für Minen- und Waldarbeiter. Später wurde es zu einem beliebten Zwischenstopp der transkontinentalen Eisenbahn. Heute lebt es wie Tahoe City vorwiegend vom Tourismus: Wandern und Biken im Sommer, Skifahren im Winter. Am Nachmittag zeigt uns Brooke Squaw Valley, ein weiteres Touristenort in der Umgebung und Austragungsort der olympischen Winterspiele von 1960. Das Resort erinnert uns stark an Whistler in Canada und Brooke bestätigt uns, dass beide dem Betreiber Intrawest gehören (Anmerkung: 2010 verkaufte Intrawest Squaw Valley Resort). Die Skiabo-Preise sind auch für Schweizer Verhältnisse hoch. Brooke nennt $ 60-70 für einen Tagespass! Wandern ist zum Glück gratis. Brooke nimmt uns mit auf einen ihrer Lieblingstrails im Squaw Valley. Der Weg führt leicht ansteigend durch eine weite Schlucht. Leider führt der Fluss momentan nur wenig Wasser, wodurch die Schlucht an Attraktivität einbüsst. Die Herbstfarben der Umgebung machen dies aber wieder wett.

Am Abend sind wir bei Brooke’s Chefin Hannah und deren Freund Jens eingeladen. Die hochschwangere Shelly und ihr Mann Scott sind ebenfalls mit von der Partie. Wahrscheinlich ist Hannah den ganzen Tag in der Kücke gestanden. Unzählige Leckereien türmen sich vor unseren Augen auf.Zum Apéro gibt’s Brotscheiben, die man je nach Belieben mit Weichkäse, Salsa’s oder warmen Artischoken belegen kann. Als Hauptgang werden Filets im Teig mit Pilzen und blue cheese aufgetischt. Daneben gibt’s Salat an einer Orangensauce und zum Dessert ein hausgemachtes Schokoladenmousse. Das Menu schmeckt von A bis Z hervorragend und lässt uns noch heute beim alleinigen Gedanken daran, das Wasser im Munde zusammenlaufen. Hannah versichert uns ausserdem, dass sie ausschliesslich biologische Zutaten verwendet hat. Dafür und für das Essen hat sie von uns mindestens 19 Gault-Milllau-Punke verdient.

Wir sind immer wieder positiv überrascht, wie verbreitet Bioprodukte in Nordamerika sind. Wir haben auf unserer Reise viele Leute getroffen, die gerne bereit sind für biologische Produkte mehr zu bezahlen, obwohl sie sonst eher bescheiden leben müssen, um durchzukommen. Unsere Erfahrung passt also überhaupt nicht zum bei uns verbreiteten Klischee vom FastFood-konsumierenden Amerikaner. Müssten wir diese Vorbehalte nun revidieren oder ist unsere Erfahrung dadurch verfälscht, dass wir mit unserer Reiseart eine bestimmte Gruppe von Menschen ansprechen? Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen.

 

Happy birthday − Am Sonntag, 30. Oktober 2005 befolgen wir Brooke’s Tipp und fahren zur fjordähnlichen Emerald Bay am südlichen Ende des Lake Tahoe. Vom Parkplatz oben an der Strasse laufen wir runter an den Strand. Hier steht Vikingsholm, ein kleines, von Bäumen umgebenes Schloss, das 1929 nach skandinavischem Vorbild erbaut wurde. Uns bleibt nur der Anblick von aussen, da das Schloss um diese Jahreszeit für Besichtigungen geschlossen ist. In der Bucht vor Vikingsholm liegt Fannette Island. Auf dem Gipfel der kleinen Insel thront ein aus Stein gebautes Tea House. Es war für Vikingsholm’s Besitzerin Lora Knight der Ort, wo sie mit ihren Gästen einen erfrischenden Nachmittagsdrink einzunehmen pflegte.

Auf dem Rückweg von Emerald Bay halten wir mehrmals am Ufer des Lake Tahoe an, um die schöne Abendstimmung zu fotografieren. Zurück in Brooke’s Wohnung ist die Harmonie allerdings vorbei. Wir diskutieren über unsere weiteren Reisepläne und merken, dass die unterschiedlicher nicht sein können. Markus zieht es nach Hause; für Lulu hat das Abenteuer erst begonnen. Es scheint, als ob heute nicht nur wir Differenzen hätten. Brooke kommt nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Ex-Freund ebenfalls niedergeschlagen nach Hause. Zur Feier des Tages (Lulu hat Geburtstag) kocht sie denoch einen schmackhaften Pilztoast und überrascht uns mit einem Schoggicake mit brennenden Kerzen drauf. Es ist schön, dass wir Lulu’s Geburi bei Brooke zu Hause feiern können und dies nicht irgendwo eingequetscht in unserem LandRover tun müssen.

 

En guete − Am nächsten Morgen fahren wir nach Truckee, um ein paar Sachen zu erledigen (Post, e-mail etc.). Später haben wir abgemacht, mit Brooke und ihrer Freundin wandern zu gehen. Unser Besuch in der Stadt dauert jedoch länger als geplant und so sind die beiden bereits losgezogen, als wir nach Hause kommen. Ihrer hinterlassenen Notiz entnehmen wir, dass sie eine Tour am Donner Pass unternehmen. Wir fahren sofort los und hoffen, die beiden irgendwo anzutreffen. Als dies nicht der Fall ist, lassen wir Nanuq am Strassenrand stehen und begeben uns unsererseits auf eine Wanderung. Ziellos laufen wir durch eine Gebirgslandschaft mit grünen Matten, Felsen und vereinzelten Bäumen, die uns stark an die Schweiz erinnert. Wir gelangen an einen Ort, der einen guten Überblick über den Donner Lake und dessen Umgebung bietet. Am Ufer dieses Sees strandete im November 1849 eine Gruppe Leute, die auf der Suche nach einem besseren Leben von Illinois nach Californien kam. Die Anführer der Gruppe waren George Donner und seine Familie. Frühzeitiger und übermässiger Schneefall hinderte die Gruppe, den Truckee Pass (heute Donner Pass) zu überqueren. Während dem langen und kalten Winter überfielen Hunger und Krankheiten die armselige Truppe. Als nach ein paar Monaten endlich Rettungskräfte eintraffen, offerierte sich ihnen ein schauriger Anblick. Die Überlebenden der Tragödie sind zum Kanibalismus übergegangen und ernährten sich vom Fleisch ihrer Kameraden. Von den 89 gestarteten Leuten konnten nur 47 gerettet werden.

 

Trick or treat − Unser Speiseplan sieht zum Glück appetitlicher aus. Zur Abwechslung schwingen heute Abend wir die Kochlöffel und bekochenBrooke mit mexikanischen Tortillas.

Von Halloween, der heute stattfindet, bekommen wir nur wenig mit. Im Laden, wo wir die Zutaten fürs Znacht einkaufen, sehen wir zwar ein paar verkleidete Kinder aber bis zum Haus von Brooke dringen sie nicht vor. Halloween ist auf eine keltische Tradition zurückzuführen. In der Nacht des 31. Oktober, so glaubte man, wird die Erde von den Geistern der Verstorbenen heimgesucht. Heute erinnern höchstens noch die Skelett- und Gruselkostüme an den Totenkult. Ansonsten ist es einfach ein weiteres Fest, welches zur Geldmacherei dient. Die heutige Tradition besteht darin, dass Kinder von Haus zu Haus gehen und bei den Bewohnern um Süssigkeiten betteln. Während die Kinder früher nur an den Türen ihrer unmittelbaren Nachbarn klingelten, werden sie heute oft von ihren Eltern im Auto von Quartier zu Quartier gefahren. Dadurch nimmt der Brauch ein gewaltiges Ausmass an. Wir haben Leute getroffen, die mit bis zu 200 Kindern rechnen, die an diesem Abend an ihrer Haustür klingeln werden. Man kann sich selber ausrechnen,wieviel Schokolade, «Täfeli», «Guetsli» und weitere Schleckereien man da zur Hand haben muss!!

 

Body Talk − Am Dienstag gehen wir zusammen mit Brooke runter zum Dock am Donner Lake. Während Brooke ihre Lernunterlagen über Body Talk studiert, beugen wir uns über die Strassenkarte. Der Wind ist allerdings so stark und kalt, dass wir uns schon bald wieder ins Haus zurückziehen. Dort ist es wegen der schlechten Isolation und der nur mässig temperierten Heizung (Spargründe) zwar nicht wärmer aber immerhin windstill. Inzwischen ist es November und Lake Tahoe liegt auf rund 1900 m Höhe. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis es schneit. Für uns wird es deshalb Zeit weiterzuziehen. Nur so wahren wir uns die Chance, Yosemite National Park einen Besuch abstatten zu können, bevor dieser wegen Schnee von der Ostseite her unzugänglich wird.

Den letzten Abend bei Brooke lassen wir mit einer Pizza und einer Body Talk Session für Markus ausklingen. Brooke hat auf diesem Gebiet schon mehrere Kurse besucht und absolviert momentan einen Lehrgang zur anerkannten Body Talkerin. Sie ist immer froh, wenn sie ihr erlerntes theoretisches Wissen in der Praxis mit freiwilligen «Patienten» wie Markus üben kann. Body Talk ist eine Methode bei der eventuell vorhandene Blockaden im Kopf oder Körper gefunden und gelöst werden. Das geschieht indem die Therapeutin anhand einer schematischen Liste Fragen stellt und dabei die Reflexe des Körpers testet. Body Talk scheint eine sehr vielversprechende Heilmethode zu sein und beinhaltet unter anderem Elemente aus der Kinesiologie, Akkupunktur und moderner Physik und Mathematik.